Victor Hugo in Frankfurt (Rheinreise)

Victor Hugo besuchte während seiner Rheinreise auch die Stadt Frankfurt, die im Jahr 1842 eine von vier Freien Städten innerhalb des Deutschen Bundes war (die anderen waren Hamburg, Bremen und Lübeck). Er war voller Bewunderung für die Historie der alten Kaiserstadt.

Judengasse, heute Börnestraße

Laut seinem Brief verweilte er nur einen Tag in der Stadt. Er betrat sie durch „eine Straße […] zwei lange parallele Reihen schwarzer, düsterer, hoher, unheimlicher Häuser, […] voll von Staub, Asche und Spinnengewebe, […] und auf den Fassaden der Häuser ruhte ein Ausdruck von Angst und Furcht.“: Hugo befand sich in der Judengasse und zwar an einem Sabbath. Er schrieb davon, dass sich in Deutschland, im Gegensatz zu Frankreich, Christen und Juden nach wie vor verachten würden. Er berichtete außerdem, dass bis zwölf Jahre zuvor (also im Jahr 1830) es noch Tore an beiden Enden der Judengasse gab, die am Abend verschlossen wurden.

In der Frankfurter Judengasse befand sich seit Ende des Mittelalters bis 1796 das jüdische Ghetto, welches das größte in Deutschland darstellte. Nach der Aufhebung des Ghettozwangs wurde die Judengasse das Armenviertel, auf das Hugo stieß. Die ehemalige Judengasse heißt heute Börnestraße. Die Börneplatzsynagoge, die man noch auf zahlreichen alten Stadtansichten oder auch auf Gemälden wie Max Beckmans Die Synagoge in Frankfurt am Main von 1919 sehen kann, wurde 1938 von den Nazis zerstört. Der Platz wurde in Neuer Börneplatz umbenannt und man gedenkt noch heute der ehemaligen Judengasse, der Synagoge sowie den Opfern der Pogrome. Zu diesem Zweck wurde dort auch das Museum Judengasse gegründet.

Schlachterviertel, heute Schirn Kunsthalle am Römerberg

Auch seine nächste Erkundung führte Hugo durch eine eher düstere Gegend. Er schrieb, dass „ein roter Bach, dessen Farbe durch zwei spülende Brunnen kaum gedämpft wird, fließt und raucht inmitten der Straße“, […] und „unerbittliche Schlachtknechte mit Herodes-Knechtsgesichtern richteten eben ein Blutbad unter Spanferkeln an“ (Hugo beteuerte, dass er gerne eines der Ferkel vor dem Tod gerettet hätte).

Ebenso wie die Judengasse ist das alte Schlachterviertel heute vollständig verschwunden. Es befand sich neben dem Römer auf dem Gelände, auf dem heute die Schirn Kunsthalle steht und zwar am Rande des Krönungsweges, den die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches von der Krönung im Kaisersaal am Römer zum Kaiserdom entlangschritten. Da dies ein großes Publikumsspektakel war, wurden dort zahlreiche Metzger-Verkaufsstände errichtet, den sogenannten Schrannen oder Schrinnen (daher der Name „Schirn Kunsthalle“). Manche der Fassaden wurde wieder neu aufgebaut und man kann noch die Häuser sehen, unter denen Verkaufsstände installiert wurden. Auf dem Römerberg wurden außerdem vier Grenzsteine in das Bodenpflaster eingelassen, auf denen „OK“ eingraviert wurde, was für „Ochsenküche“ steht.

Römerberg

Hugo verglich den Römerberg mit den ehrwürdigen großen Plätzen in Flandern und erfreute sich an der schönen Architektur des Bauensemble aus Häusern aus dem Mittelalter und der Renaissance, der Nikolaikirche, den zwei Brunnen in der Mitte des Platzes und natürlich dem Frankfurter Römer, dem Frankfurter Rathaus. Hugo, der sich für Geschichte begeisterte, besuchte auch den Kaisersaal im Römer, wo die deutschen Kaiser viele Jahrhunderte von den Kurfürsten gewählt wurden.

Kaiserdom

Nachdem er viel Zeit mit der Bewunderung des Kaisersaals und dessen Geschichte verbracht hatte, schritt er auf demselben Weg, wie zuvor die deutschen Kaiser, den Krönungsweg vom Römer zum Kaiserdom, der Bartholomäus-Stiftskirche. Er bewunderte die Fassade aus Sandstein und die Architektur im Innern der Kirche, außerdem auch Gemälde der alten Meister Dürer, van Dyck und Rubens.  Vom Turm aus, den er bestieg, hatte er eine beeindruckende Aussicht auf die Stadt, den Main und den Taunus. Oben auf dem Kirchturm wurde er von einem kleinen Mädchen überrascht, welches dort oben mit seiner Mutter wohnte, zusammen mit einem Affen, der in einem kleinen Käfig saß. Als er ihren Herd mit einem kleinen Feuer sah, scherzte Hugo, dass die „stolze Kaiserstadt gekrönt wurde von dem bescheidenen Herd einer alten Frau“.